Viele Beratungsansätze richten ihren Fokus ausschließlich auf das Problem und auf Hilfe zur Selbsthilfe sowie darauf, dass mit dem angepriesenen Hilfsangebot alles besser werde.
Ein wunderbares Beispiel aus der Entwicklungshilfe: Deutsche Berater*innen beobachteten, dass in einem stark patriarchisch geprägten Land die Brunnen knapp sind. Die Frauen eines Dorfes müssen täglich Wasser aus einer weit entfernt gelegenen Quelle holen. Sie machen sich jeden Morgen mit ihren Kindern auf den Weg und kommen erst am Nachmittag schwer beladen mit Wasser wieder in das Dorf zurück. Was für ein riesiger Aufwand, dachte sich das deutsche Berater*innen Team und lässt den Dorfbewohnern einen Brunnen im Dorf bauen. Nach knapp einer Woche ist jedoch der Brunnen nicht mehr zu gebrauchen, es schwimmt Aas in ihm und somit ist das Wasser ungenießbar. Das deutsche Berater*innen Team lässt den Brunnen reinigen, doch nach kurzer Zeit schwimmt wieder Aas im Brunnen. Nach ein paar weiteren Brunnenreinigungen fragten die Berater*innen schließlich die Dorfbewohnerinnen, ob sie eine Erklärung für die schlechte Wasserqualität des Brunnens hätten. Unter vorgehaltenen Händen erklärten die Frauen, dass sie selbst das Wasser vergiften, denn seitdem der Brunnen im Dorf ist, würden sie von ihren Männern kontrolliert werden, wie lange sie sich am Dorfbrunnen aufhalten. Die wunderbare freie Zeit, mit den Kindern und den anderen Frauen gemeinsam zur Quelle zu wandern, schien verloren, so vergifteten sie gemeinsam den „schönen neuen Brunnen“ und somit die allzu perfekte Problemlösung des Berater*innen Teams.
Ohne den Einbezug der Stakeholder sowie deren Motive und Ziele, ohne die Betrachtung der Persönlichkeitsstruktur aller relevanten Akteure, ohne die Berücksichtigung der spezifischen Kultur, können Lösungsangebote zwar logisch als auch sinnvoll und dennoch unwirksam sein.
Die systemische Personal- und Organisationsberatung geht davon aus, dass sich komplexe Probleme nur dann nachhaltig wirksam bearbeiten lassen, wenn man die Aufmerksamkeit auf viele Element des Gesamtsystems richtet. Der inhaltliche Schwerpunkt des systemischen Beratungsansatzes liegt auf der Stärkung der Ressourcen und Kompetenzen der zu beratenden Personen bzw. Organisationen.
Um Menschen und Organisationen so zu beraten, dass eine nachhaltige und positive Veränderung stattfinden kann, bedarf es der Betrachtung möglichst aller systemrelevanten Aspekte. Der systemische Beratungsansatz gibt keine Patentlösungen vor, sondern bezieht sich auf die spezifische Problemstellung des Kunden. So zu arbeiten, erfordert vom Beratenden ein hohes Maß an Wachsamkeit, die Fähigkeit aufmerksam zuzuhören, viel Erfahrung und fachliche Kompetenz, einen achtsamen Blick auf die von der Veränderung Betroffenen und vor allem die Wertschätzung des bisher vom Kunden Erreichten.
Und zu guter Letzt, der Erfolg einer Beratung hängt vom Kunden ab: Wer in seiner Organisation (privat, beruflich, bei seinen Mitarbeitenden, in den Arbeitsprozessen) etwas verändern möchte, der muss sich selbst als erstes bewegen. Veränderung fängt stets bei sich selbst an.